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Wirtschaft bleibt im Krisenmodus

Der Unternehmensverband Unterelbe-Westküste e. V. (UVUW) hat seine rund 400 Mitgliedsunternehmen um ihre konjunkturelle Einschätzung gebeten.

Die Umfrage zur Konjunkturlage wurde an alle Mitglieder des UVUW verschickt. Teilgenommen haben 108 Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größen. Die Ergebnisse liefern daher einen guten Blick auf die gesamtunternehmerische Stimmung im Westen Schleswig-Holsteins.

  1. Bundesweite wirtschaftliche Entwicklung

Das zweite Halbjahr 2024 verlief nach Ansicht der Unternehmerinnen und Unternehmer bundesweit noch schlechter als das erste Halbjahr. 63% der Befragten beurteilen das zweite Halbjahr der generellen bundesweiten wirtschaftlichen Entwicklung als schlechter und nur 8% als besser.

Für das Jahr 2025 wird nicht mit einem konjunkturellen Aufschwung in Deutschland gerechnet. 60% gehen von einer weiteren Verschlechterung der Konjunktur aus und nur 11% von einer Verbesserung.

Deutschland ist im internationalen Vergleich nahezu überall in den vergangenen Jahren zurückgefallen und hat fundamentale Standortprobleme. Das Risiko einer De-Industrialisierung nimmt kontinuierlich zu, größere Mittelständler wandern ab, kleine Mittelständler geben das Geschäft auf.

Nächstes Jahr erleben wir voraussichtlich das dritte Jahr in Folge Rezession und stecken in einer hausgemachten echten Wirtschaftskrise fest. Wir befinden uns nicht in einer vorübergehenden Konjunkturdelle, sondern in einer lang andauernden Strukturkrise.

  1. Gegenwärtige Geschäftslage

Der Blick in die Unternehmen liefert Licht und Schatten. 31% bewerten die eigene Geschäftslage als gut und 31% als schlecht.

  1. Aufträge

Die Auftragseingänge und Umsätze sind im zurückliegenden Halbjahr bei 37% der Unternehmen zurückgegangen und lediglich bei 18% gestiegen.

Auch der gegenwärtige Auftragsbestand wird mehrheitlich als „zu gering“ bewertet. Es sind allerdings erste zarte Anzeichen der Besserung zu erkennen, was an einem aktuell leicht angestiegenen Auftragsbestand zu messen ist. Dies ist aber noch immer unbefriedigend, wie die Vergleichswerte der letzten Jahre zeigen.

Die zaghaften Anzeichen einer Erholung scheinen nicht substanziell zu sein. Es scheint ein zartes Pflänzchen zu bleiben, welches 2025 nach dem Winter nicht in voller Pracht blühen wird. Die Unternehmerinnen und Unternehmer rechnen nicht mit einer wesentlichen Verbesserung der Auftragslage.

  1. Kapazitätsauslastung

Die durchschnittliche Auslastung der Unternehmen liegt derzeit bei 80%. Das ist zu wenig. Es zeigt sich, dass sich die wirtschaftliche Misere manifestiert hat, ohne sich jedoch noch weiter zu verschlechtern.

  1. Investitionen

Nur jedes sechste Unternehmen hat in diesem Jahr die Investitionen erhöht.

Es beabsichtigen 2025 weiterhin mehr Unternehmen die Investitionen einzuschränken, als sie zu erhöhen. Die Investitionsbereitschaft bleibt auf einem viel zu niedrigen Niveau. 31% der Unternehmen geben an, dass sie die Investitionen zukünftig weiter einschränken werden, lediglich 24% wollen die Investitionen erhöhen.

Deutschland und die EU müssen mehr investieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das haben der Draghi-Bericht in Brüssel und der BDI in ihren jüngsten Studien sehr deutlich gemacht.

Investitionen der Unternehmen müssen aber refinanziert werden und brauchen einen langen Planungshorizont, Planungssicherheit und vorhersehbare Ertragsströme. Es müssen Investitionsanreize geschaffen werden, damit die gesteckten Ziele der Politik in Sachen Klimaneutralität auch erreicht werden können. Wir müssen aus dem volkswirtschaftlich sinnvollen für jeden einzelnen das betriebswirtschaftlich machbare zulassen.

Ein Beispiel der fehlenden Planungssicherheit für notwenige Investitionen ist die fehlende rechtliche Grundlage, auf der die Abscheidung von CO2 in der Industrie und die anschließende Nutzung als Rohstoff erst möglich wäre. Das Kohlendioxid-Speicherungs- und -Transportgesetz (KSpTG) droht zu scheitern.

Bei uns im Kreis Steinburg möchte Holcim ein klimaneutrales Zementwerk entstehen lassen. Gemeinsam mit Holcim glauben wir an die Dekarbonisierung von Zement und Beton, an den Aufstieg der Kreislaufwirtschaft, an die Digitalisierung der Baubranche und an CO2 als wertvollen Rohstoff. Holcim hat mit seinen Partnern Linde und thyssenkrupp entsprechende technische Lösungen entwickelt. Dort in Lägerdorf plant man die grüne Transformation der Baubranche. Die gesamte Branche ist dabei zwingend auf das KSpT – Gesetz angewiesen, um in Lösungen für unvermeidbare Prozessemissionen auch investieren zu können. Die Industrie kann Anlagen zur Abscheidung von CO2 und die Infrastruktur für den Transport erst bauen, wenn geregelt ist, dass sie auch genutzt werden dürfen. Diese Planungssicherheit als verlässliche Grundlage für Investitionsentscheidungen muss die Politik schaffen.

  1. Personal und Fachkräftemangel

Der Personalbestand ist im zurückliegenden Halbjahr grundsätzlich konstant geblieben. Die Unternehmen sind aber inzwischen mit Neueinstellungen und einer Aufstockung des Personalbestandes ein wenig zurückhaltender als in der Vergangenheit.

Der Fach- und Arbeitskräftemangel bleibt eine riesige Herausforderung für die Unternehmen. In Schulnoten übersetzt, bewerten 37% die Situation mit „5, mangelhaft“ und 10% bewerten die Situation mit „6, ungenügend“. Hier stellen wir im Vergleich der letzten Jahre konstante Werte fest.

Die Gesamtarbeitskräftelücke in Schleswig-Holstein von derzeit 35.000 Menschen wird auf 330.000 Personen bis zum Jahr 2035 ansteigen und sich damit fast verzehnfachen. Angesichts der aktuell wahrgenommenen Arbeitskräftelücke ist daher mit deutlichen Verschärfungen zu rechnen.

  1. TOP 10 der wirtschaftlichen Belastungen

Der Bürokratieaufwand, sowie die hohen Arbeits- und Lohnzusatzkosten sind die größten Herausforderungen der Unternehmerinnen und Unternehmer.

Für vier von fünf Unternehmen ist der Bürokratieaufwand (80%) die größte unternehmerische Herausforderung. Von den 442 von den Wirtschaftsverbänden eingereichten Vorschlägen wurden von der Bundesregierung insgesamt nur elf im aktuellen Gesetz, dem inzwischen vierten Bürokratieabbaugesetz berücksichtigt.

Die hohen Arbeitskosten stellen für jedes zweite Unternehmen (49%) eine große Herausforderung dar. Vor dem Hintergrund der Inflation sind die Gehälter in den letzten Jahren merklich gestiegen. Darüber hinaus führen auch die Sozialbeiträge zu höheren Kosten. Erstmals seit einem Jahrzehnt haben wir die 40%-Marke bei den Sozialbeiträgen überschritten. Die Sozialversicherung muss dringend reformiert werden. Die Explosion der Lohnzusatzkosten beispielsweise durch die Pflegeversicherung wirken wie eine Strafsteuer auf Beschäftigung.

Gemessen am EU-Durchschnitt von 30,50 Euro, zahlen deutsche Arbeitgeber rund 30% mehr für eine Stunde Arbeit. Eine Stunde Arbeit in der deutschen Industrie ist sogar 44% teurer als im EU-Durchschnitt. Alte Vorteile des Standortes wie Produktivität, Innovation und stabile Rahmenbedingungen können die massiven Belastungen nicht mehr kompensieren.

Wir brauchen mutige, entschlossene Schritte, um Leistung und Investitionen anzureizen und die Wirtschaft wieder zurück auf einen Wachstumsweg zu bringen. Dazu zählt auch ein schärferer Blick auf den kleinen Mittelstand in Deutschland. Das Handwerk ist eine relevante Wirtschaftsmacht mit einem höheren Jahresumsatz als die deutsche Automobilindustrie.

Der Mangel an Arbeitskräften wird im Übrigen auch durch die immer steigenden Krankmeldungen von einem Teil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verschärft. Die Krankmeldungen haben sich in den zurückliegenden zehn Jahren nahezu verdoppelt. Ein Teil der Belegschaft muss immer wiederkehrend ausfallende Kolleginnen und Kollegen vertreten. Wir wünschen uns auch im Interesse des Betriebsklimas eine Abschaffung der telefonischen Krankschreibung und eine Wiedereinführung der Praxisgebühr oder ähnlicher Maßnahmen.

  1. Neuwahlen

Angesichts der dramatischen Lage der deutschen Wirtschaft braucht es seit längerer Zeit einen Befreiungsschlag mit großen, ambitionierten Maßnahmen.

Für einen solchen Befreiungsschlag fehlte es aber offensichtlich an Kompromissbereitschaft in der gesamten Bundesregierung. Die FDP muss endlich erkennen, dass wir in Zeiten leben, in denen die Aufweichung der Schuldenbremse verhandelbar sein muss. Rot und Grün müssen endlich erkennen, dass es stärkerem Reformwillen mit möglicherweise unpopulären Maßnahmen bedarf, um unsere Wirtschaft wieder auf Spur zu bringen.

Das Aus der Ampel war das geringere Übel im Vergleich zur Fortsetzung des politischen Stillstandes. Eine Regierung, die keine Kompromisslinien mehr findet, geht lieber auseinander. 81% der Unternehmerinnen und Unternehmer begrüßen daher das Aus der Ampelkoalition.

  1. Wahl in den USA

Die Wahl von Donald Trump zum zukünftigen Präsidenten der USA nehmen die Arbeitgeber im Westen Schleswig-Holsteins norddeutsch nüchtern zur Kenntnis. Die Mehrheit (35%) der Befragten glaubt nicht, dass das Wahlergebnis Einfluss auf die eigene Geschäftsentwicklung haben wird. 29% gehen von negativen Folgen aus, 12% von positiven.

Zusammenfassung

  • Arbeitgeber rechnen mit einer weiteren Verschlechterung des Gesamtkonjunktur in Deutschland.
  • Geschäftslage stabilisiert sich auf niedrigem Niveau
  • Die Aufträge und Umsätze sind weiterhin rückläufig
  • Die Auslastung der Unternehmen bleibt zu gering
  • Investitionen werden weiter eingeschränkt
  • Personalbestand konstant
  • Der Fach- und Arbeitskräftemangel bleibt eine riesige Herausforderung
  • Der Bürokratieaufwand, die hohen Arbeitskosten und hohe Lohnzusatzkosten sind die größten Herausforderungen
  • Unternehmerinnen und Unternehmer begrüßen das Ende der Ampelkoalition
  • Wahl von Trump wird für das eigene Unternehmen nicht als Bedrohung gewertet

Der UVUW ist ein Zusammenschluss von rund 400 Unternehmen im Gebiet von Norderstedt bis zur dänischen Grenze. Gegründet wurde er vor über 75 Jahren und hat sich zum wichtigen Sprachrohr der Wirtschaft an der Westküste und im Hamburger Umland entwickelt.

Auf der Homepage des UVUW finden Sie unter „Presseservice“ frei nutzbare hochauflösende Pressefotos des Vorsitzenden und der Geschäftsführung.

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